16. Sep 2022 Lesezeit: 3 Min.
Was genau eine ladungsfähige Adresse ist und warum das Urteil des OLG München oft missverstanden wird.
Ein kleiner Disclaimer vorab: Da wir keine Anwälte sind, dürfen wir an dieser Stelle keine Rechtsberatung geben. Wende dich im Zweifel immer an einen Anwalt.
Das Oberlandesgericht München hat in seinem Urteil vom 19.10.2017 verkündet, dass die Angabe eines „virtuellen Büros“ im Impressum als ladungsfähige Anschrift nicht ausreicht. Zumindest wird das so von den meisten Leserinnen und Lesern verstanden – und damit fehlinterpretiert. Warum das der Fall ist, wird in diesem Beitrag erklärt. Bitte beachte: Wir sind keine Rechtsanwälte. Daher dürfen wir dir an dieser Stelle auch keine Rechtsberatung geben. Wenn du also noch Fragen hast, die sich durch diesen Beitrag nicht beantworten lassen, so wende dich besser an eine Anwaltskanzlei.
Unter einer ladungsfähigen Adresse ist die Anschrift einer Privatperson oder eines Unternehmens zu verstehen - mit dem wichtigen Zusatz: Die Privatperson oder das Unternehmen muss unter dieser Adresse erreichbar sein. Es handelt sich dabei um einen juristischen Begriff, der ausdrückt, dass ein Zeuge mit dieser Adresse vor Gericht geladen werden kann - also ladungsfähig ist. Diese Adresse muss nicht zwangsläufig dem Wohnsitz einer Privatperson bzw. der Geschäftsadresse eines Unternehmens entsprechen. Ein Diensteanbieter muss unter dieser Adresse jedoch unmittelbar erreichbar sein und die Anschrift ist ständig verfügbar zu halten. Die Angabe eines Postfachs reicht demnach nicht aus.
Der Fall, auf den sich das Urteil vom OLG München vom 19.10.2017 bezieht, dreht sich um zwei Personen, die jeweils ein werbefinanziertes Uhrenforum betrieben haben. Die Klägerin gab an, dass der Beklagte Mitbewerber keine ladungsfähige Adresse im Impressum angegeben hätte. Dies ließ sich bestätigen, da zwei an den Beklagten adressierte Briefe unter der entsprechenden Adresse nicht zugestellt werden konnten. Bei der Anschrift handelte es sich weder um die Wohnadresse noch um eine Firmenadresse des Beklagten. Stattdessen gab er an, dass er unter der angegebenen Anschrift ein virtuelles Büro angemietet und einen Vertrag über eine „Virtual Office Mailbox Plus“ abgeschlossen habe. Aber spielt das hier tatsächlich eine Rolle?
Der Beklagte hatte angegeben, ein so genanntes „virtuelles Büro“ angemietet zu haben. Was genau sich hinter diesem Begriff versteckt, hatte er vor Gericht allerdings nicht ausgeführt. Wer keinen festen Firmensitz hat, kann sich ein virtuelles Büro inklusive Adresse, Post- und Telefonservice mieten und damit immense Kosten sparen. Nicht zu verwechseln ist das virtuelle Büro mit einer so genannten „Briefkastenadresse“. Diese umfasst lediglich den Service einer repräsentativen Geschäftsadresse. Die Post wird dort ebenfalls elektronisch erfasst und an den Empfänger weitergeleitet – die Adresse ist damit im Regelfall also ladungsfähig.
Das Problem in diesem Fall ist ganz simpel: Die Post, die an den Beklagten adressiert war, hat ihn nicht erreicht. Warum das so ist, hat das OLG München letztendlich gar nicht interessiert. Der Grund ist aber nicht – und das ist wichtig zu betonen –, dass es sich um die Adresse eines virtuellen Büros handelt. Vielmehr liegt das Problem in der Servicedienstleistung des Vertragspartners des Beklagten.
Aus dem Vertrag geht nicht hervor, dass die Post elektronisch erfasst und weitergeleitet wird, weshalb die „Virtual Office Mailbox Plus“ de facto nicht mehr als ein herkömmliches Postfach ist. Der Beklagte gab daraufhin an, an der entsprechenden Anschrift auch Büroräume gemietet zu haben, was allerdings auch nicht zu beweisen war. Selbst, wenn dies zwischenzeitlich der Fall war, konnte ihm im entscheidenden Moment keine Post unter der Anschrift zugestellt werden. Dem Unterlassungsanspruch der Klägerin wurde zugestimmt.
Dieses Urteil wird fälschlicherweise oft so interpretiert, dass die Angabe der Anschrift eines virtuellen Büros bzw. einer Briefkastenadresse nicht ausreichend sei. Das ist aber grundsätzlich nicht richtig, denn einzig und allein relevant ist, dass der Empfänger unter dieser Anschrift ständig erreichbar ist. Da das für den Beklagten im besagten Fall nicht galt, wurde der Unterlassung zugesprochen. Ein virtuelles Büro bzw. eine Briefkastenadresse kann also durchaus in Anspruch genommen werden – als Kunde sollte man jedoch genau auf die Vertragsbedingungen schauen, wie aus diesem Fall deutlich hervorgeht.
Es gibt viele Gründe, warum Dienstleister ihre private Adresse nicht im Impressum angeben wollen. Der wichtigste Grund ist sicherlich der Schutz der persönlichen Daten. Wenn du beispielsweise Geld auf Youtube oder Instagram verdienst – oder wie im hier behandelten Fall ein Forum betreibst – hast du höchstwahrscheinlich kein eigenes Büro und keine Unternehmensadresse. Hier bietet es sich an, eine ladungsfähige Anschrift zu mieten. Auf diese Weise lässt sich Geschäftliches und Privates außerdem hervorragend trennen.